Befürworter und Gegner des neuen Lieferkettengesetzes führen verschiedene Argumente an, um Ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen. Hier soll isoliert das Argument betrachtet werden, ob deutsche Unternehmen durch das Lieferkettengesetz Wettbewerbsnachteile haben werden.
Die Frage, ob Wettbewerbsnachteile für deutsche Unternehmen durch das Lieferkettengesetz entstehen würden, ist auf verschiedenen Ebenen zu betrachten. Denn deutsche Unternehmen agieren in einer stark globalisierten Welt – somit ist nicht nur isoliert zu betrachten, ob z.B. die Produktionskosten für deutsche Unternehmen durch das Gesetz steigen würden und was dies bedeuten würde, sondern auch das Verhalten anderer europäischer Staaten, die unter Umständen für Zulieferer als Substitut gelten könnten, um strengere Gesetze zu umgehen.
Andere Staaten in Europa haben vergleichbare gesetzliche Rahmenbedingungen geschaffen und zeigen mit dieser Initiative, dass gesetzliche Schutzmechanismen funktionieren. Es ist festzuhalten, dass es einerseits auf europäischer Ebene Bestrebungen gibt, Gesetze zu schaffen, um Menschenrechte und Umwelt in den Lieferketten zu schützen. Andererseits haben auch einige europäische Staaten solche Gesetze entweder bereits umgesetzt oder sind dabei solche umzusetzen. Während die EU anstrebt, 2021 einen entsprechenden Rahmen zu schaffen, der anschließend von den Mitgliedsstaaten in nationales Recht umzuwandeln ist, haben einige Länder bereits Tatsachen geschaffen. In Frankreich, wie in den Niederlanden sind bereits Gesetze in Kraft, um die Menschenrechte in den Lieferketten zu schützen. In der Schweiz befindet sich ein entsprechendes Gesetz in der Umsetzung.
Neben bereits bestehenden Initiativen oder Vorhaben ist der Aspekt zu beleuchten, ob sich das Lieferkettengesetz negativ auf die Produktionskosten auswirken könnte, die möglicherweise durch verschärfte Rahmenbedingungen steigen könnten. Unabhängig von dem Effekt des Gesetzes auf die Produktionskosten, ist gesamtwirtschaftlich nicht mit Nachteilen zu rechnen. Negative Effekte scheinen zudem unwahrscheinlich.
Zwei Szenarien könnten bei Inkrafttreten eines Gesetzes auftreten.
In Szenario 1 bleiben die Produktionskosten im Ausland konstant, da alle europäischen Unternehmen mit der gleichen Vorgabe, der Achtung der Menschenrechte und Klimaschutz am Markt auftreten und Aufträge vergeben. Die Verhandlungsmacht von Zulieferern und ausländischen Partnern deutscher Unternehmen ist in diesem Fall gering, da sie nicht auf andere Unternehmen als Partner ausweichen können. Zudem sind europäische Unternehmen begehrte Geschäftspartner und es erscheint unwahrscheinlich, dass die Geschäftsbeziehungen seitens Zulieferer bzw. Partnerunternehmen gefährdet würden.
In Szenario 2 entstehen Zulieferern und Partnern deutscher Unternehmen höhere Kosten durch notwendige Anpassungen an strengere Vorgaben, wodurch die Produktionskosten steigen würden. Dies könnte zur Folge haben, dass sich deutsche Unternehmen entweder günstigere Partner an anderen Standorten suchen oder die Rückverlagerung von Arbeitsplätzen nach Deutschland attraktiver wird.
Insbesondere unter dem Aspekt, dass immer mehr Länder die Vorgaben für Menschenrechte und Umweltschutz verschärfen und somit die Verhandlungsmacht von Zulieferern und Partnern gering ist, erscheint Szenario 1 wahrscheinlich. Die Umsetzung von vergleichbaren Gesetzen in Frankreich und den Niederlanden sowie das Vorhaben in der Schweiz und auf EU-Ebene zeigen, dass sich eine europäische Front formiert und der Druck auf Zulieferer und Partner im Ausland steigt. Insofern ist nicht zu erwarten, dass deutsche Unternehmen sich auf Wettbewerbsnachteile einstellen müssen. Nicht nur ist davon auszugehen, dass die Produktionskosten konstant bleiben, letztlich gelten die Regeln aus einem Lieferkettengesetz – zunächst durch Initiativen in anderen Ländern und mittelfristig auf EU-Ebene – auch für andere europäische Unternehmen und damit die Konkurrenz von Unternehmen in Deutschland.